Sie sind hier: marburgnews >

Politik


Heute ist Freitag, 29. März 2024

Text von Mittwoch, 20. November 2002


Eine Welt: Gähnende Globalisierungskritiker

Marburg * (spi)
Internationale Politik ist ein sehr komplexes, zuweilen überaus verwirrendes Thema. Diese Erfahrung musste am Dienstag (19. November) auch Achim Reichert vom Forum Umwelt und Entwicklung im Zuge seines Vortrags zum Thema "Welthandel und das Recht auf Nahrung" machen. Zur Veranstaltung hatte die Ortgruppe des globalisierungskritischen Netzwerks "Attac" in den Weltladen geladen.
Zur Sprache kamen insbesondere die Agrarpolitik der Welthandelsorganisation (WTO) und der Europäischen Union (EU). Reichterts Kritik zielte vorrangig auf die WTO, die das Ziel verfolgt, Handelsbarrieren abzubauen. Auch die Agrarpolitik der EU erhalte ihre Landwirtschaft nur mit Subventionen am Leben und schade damit vor allem Entwicklungsländern. Sie müßten mit der billigen westlichen Konkurrenz im eigenen Land leben, würden selbst aber durch hohe Importzölle von deren Märkten ausgeschlossen.
So sei zum Beispiel die Zuckerproduktion in der EU dreimal so teuer wie im Weltdurchschnitt, berichtete Reichert. Hier würden die Erzeuger jedoch durch einen 420-prozentigen Zoll vor günstigeren Anbietern aus Asien oder Afrika geschützt.
Korrupte Regierungen in Entwicklungsländern betrieben den Export der in ihrem Land erzeugten Güter, während die Bevölkerung hungert.
Genau diese Aussage führte mit dazu, dass der Vortrag immer ungenauer wurde und sich an Klischees aufhängte. Eine Kritik aus dem Publikum, dass Tee die indische Gesellschaft nicht ernähren könne, trug schließlich mit zu diesem Trend bei.
Seit dem WTO-Gipfel in Seattle 1999 hat sich eine vielköpfige Anti-Globalisierungs-Bewegung entwickelt, die überall in der Welt schnell Anhänger gefunden hat. ( Diese "Association pour une Taxation des Transactions Financiers pour l´aide aux Citoyens " - Vereinigung zur Besteuerung der Finanztransaktionen zum Nutzen der Bürger - (ATTAC) stellt eine Erfolgsgeschichte dar. Die Organisation, die erst 1998 gegründet wurde, ist heute bereits in 45 Ländern mit insgesamt 90.000 Mitgliedern aktiv. Allein in Deutschland gibt es 150 regional agierende Gruppen.
Diesen Gruppen fehlt es sicherlich nicht an Engagement, den richtigen Argumenten und Medienpräsenz. Mangel besteht jedoch noch in Bezug auf Verbindungen zu politischen Entscheidungsträgern, die für das Überleben von Interessengruppen von größter Wichtigkeit sind.
Zudem fehlen den Organisationen vielfach Interessenvermittler, die Forderungen rhetorisch gekonnt vertreten. Dies ließ der Vortrag Reicherts vermissen, so dass er mit seinen zum Teil undeutlich vorgebrachten Forderungen selbst in der ihm gleichgesinnten Zuhörerschaft wenig Zustimmung, sondern stattdessen oftmals lediglich ein Gähnen erntete.


Politik-Archiv





© 01.11.2002 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg