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Text von Montag, 29. April 2002


Betroffen: Frieden vor der eigenen Tür!

Marburg * (FJH)
Man sollte über die Verherrlichung von Gewalt in unserer Gesellschaft nachdenken, meint Edmund Stoiber. Mit diesem Ratschlag garnierte der Unions-Kanzlerkandidat am Montag (29. April) seinen Besuch in Erfurt.
Betroffenheit allenthalben über die Bluttat, die am Freitag (26. April) 14 Lehrerinnen und Lehrer sowie zwei Schüler der Erfurter Gutenberggymnasiums das Leben kostete. Der nur 19-jährige Täter brachte sich schießlich selbst um.
"Kann ich meinen Schülern jetzt keinen blauen Brief mehr schicken, ohne um mein Leben zu fürchten?", fragt sich eine Marburger Lehrerin. "Wie ensteht so viel Hasss, dass jemand blindwütig um sich ballert und alles umlegt, was ihm in die Quere kommt?", fragen sich viele. Die Humanistische Union (HU) möchte ihr monatliches Treffen am Dienstag (30. April) nutzen, um unter fachkundiger Diskussionsleitung über "Die Psychologie des Amoklaufs" zu sprechen. Der Marburger Psychologe Prof. Dr. Hans Schauer hat die Moderation dieser Runde übernommen.
Mit fünf Schweigeminuten gedachte die Öffentlichkeit am Montag um 11.05 Uhr der Opfer des Amoklaufs. In den Hessischen Schulen begann der Unterricht mit Diskussionen über die Tat. Nachdenklichkeit und Entsetzen prägen die Suche nach den Urasachen für diese Tat.
Einfache Antworten wird man dabei aber nicht finden. Sicherlich haben sich Gewalt und Aggression in der Gesellschaft während der letzten Jahre vermehrt. Immer hektischer und ruppiger geht es zu; immer weniger Rücksicht genießen Schwache, Alte, Kranke und Behinderte. Immer weniger Respekt wird dem Einzelnen Menschen entgegengebracht.
Sind es nicht gerade die Politiker, die jetzt lamentieren, die zuvor jahrelang von "Eigenverantwortung" geredet und die Sozialsysteme demontiert haben? Ist es nicht auch die Kinder- und damit Familienfeindliche Politik, die Vereinzelung und Verzweiflung alleinerziehender Eltern und alleingelassener Kinder nicht entgegenwirkt? Waren es nicht Politiker von CSU bis hin zu den Grünen, die für einen Krieg und damit für Gewalt auch gegen Unbeteiligte gestimmt haben?
Wenn Edmund Stoiber über die Gewaltverherrlichung ernsthaft nachdenken möchte, dann sollte er sich zuallererst an die eigene Nase fassen. Das gleiche gilt auch für Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Guido Westerwelle. Die Liste der Namen ließe sich noch lange ausdehnen.
Statt Krokodilstränen und sicherlich auch ehrlicher Betroffenheit, die morgen schon dem harten Alltagsgeschäft weichen wird, sollten Politikerinnen und Politiker darüber nachdenken, wie sie selbst an ihrem Arbeitsplatz Gewalt abbauen helfen können. Bürgerinnen und Bürger sollten das Gleiche tun und auch bei ihren Wahlentscheidungen auf gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien drängen, denn der Frieden fängt immer vor der eigenen Haustür an.


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