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Text von Dienstag, 19. Februar 2002


Service im Verzug: Behinderte rangieren am Schluss

Marburg * (FJH)
Die Deutsche Bahn AG (DBAG) will die Kritik nicht gelten lassen. Der Marburger Behindertenbeirat und der Landesbehindertenrat Hessen haben ihr am Montag (18. Februar) vorgeworfen, sie verschleppe den Umbau des Marburger Hauptbahnhofs. Behinderten entstünden dadurch erhebliche Probleme, in die Züge zu gelangen.
Die DBAG verweist indes auf Personal, das Behinderten im Marburger Hauptbahnhof behilflich sei. Von 6 bis 20.45 Uhr stünde diese Hilfe bereit.
Was aber machen Behinderte, die den ersten Zug nach Kassel um 5.06 nehmen möchten? Wie ergeht es Behinderten, die erst um 21.20 oder später in Marburg ankommen oder abfahren?
Es ist auch schon eine Benachteiligung, wenn Behinderte nicht allein zum Gleis gelangen können, weil die DBAG keinen Aufzug einbaut. Gerade Marburg mit seinen vielen Behinderteneinrichtungen und Behinderten müsste hier doch erste Priorität haben!
Behinderte haben seit Jahren schlechte Erfahrungen mit der Bahn: 1988 hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags einstimmmig verfügt, dass die Bahn gegen ihren erklärten Willen 138 Intercity-Wagen mit Rollstuhltoilette anschaffen musste. Immer noch weigert sich die DBAG beharrlich, ihre ICE-Züge mit einem Hebelift auszustatten. Behinderte möchte sie ohnehin nur nach vorheriger Anmeldung befördern.
Aber auch andere Fahrgäste erleben die DBAG nicht gerade als Hort der Kundenorientierung. Das Personal in den Zügen ist zwar in aller Regel freundlich und hilfsbereit, aber der Spaß am Bahnfahren endet spätestens bei Betriebsstörungen. Dann werden Reisende regelrecht verschaukelt. Kulanz ist für die DBAG immer noch ein Fremdwort.
Auch der Marburger Hauptbahnhof zeichnet sich nicht durch übergroßen Service aus: um 20.45 abends macht er seine Schotten dicht. Das Metallgitter ist heruntergelassen; Reisende müssen über holprige Wege um das Bahnhofsgebäude herumgehen. Die Fahrgelder der "Nachtschwärmer" streicht die DBAG gern ein; Service gibt es für sie aber nicht!
Verkehrsexperte Michael Herbst hat wirklich recht: Die Manager der DBAG haben ihre Bahn nicht im Griff. Es wird höchste Zeit, dass die Politik eingreift. Sonst bekommen wir auch in Deutschland britische Verhältnisse, wo ein Urwald-erprobter Reisender wegen der geringeren Stressbelastung Expeditionen an den Amazonas oder nach Tibet einer Bahnfahrt durch England vorzieht.


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