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Text von Freitag, 8. November 2002


Gruselgeschichten: "Triumph der Nacht"

Marburg * (spi)
"Der Baum vor meinem Haus, das ist ein ganz besondrer Baum, weil er schaut wie ein Galgen aus. Und egal bei welchem Wetter, es hängen Leut sich an ihm auf", singt der Geist im roten Regencape auf dem Hinterhof der Waggonhalle.
Eine Woche nach Halloween veranstaltete das Theater Gegenstand am Donnerstag (7. November) eine theatralische Lesung unter dem Titel "Triumph der Nacht - erlesenes Gruseln mit unheimlichen Geschichten und Musik". Zu hören waren unter anderem Texte von Edgar Allan Poe, Marie Luise Kaschnitz und Heinrich Heine. Regiesseurin Melody Roszkiewicz führte als "Wärterin der Waggonhalle" durch das zweistündige Programm.
Um "ziemliches Auftreten" war gebeten worden; die gut 20 Zuschauer waren jedoch ausnahmslos in Straßenkleidung erschienen.
Nach der ersten Geschichte ging es unter der Führung Roszkiewicz hinaus in die dunkle Nacht. In einem Schuppen wartete der Geist einer gestiefelten Reiterin, um eine weitere Geschichte vorzutragen. Lediglich mit Grablichtern ausgestattet, bildeten die ausufernden Wasserpfützen auf dem Hof die größte Gefahr für die Unversehrtheit des Zuschauers . Aber so recht gruseln mochte es einen noch nicht.
Dies änderte sich jedoch, als die Gruppe in das Theater zurückgekehrt war. Der Raum war in der Zwischenzeit zum Spiegelkabinett umgebaut worden. Eine zunächst nur aus dem Off vernehmbare Stimme, deren Wurzel sich bald als ein im Bett kauernder, nur über einen Spiegel sichtbarer Jüngling ausmachen ließ, erzählte "eine selbsterlebte, wahre Geistergeschichte" von Rudyard Kipling. Martin Esters beeindruckte hierbei durch sein treffsicheres Changieren mit unterschiedlichen Stimmlagen.
Bald ging es wieder auf Wanderschaft, diesmal in den Backstagebereich des Theaters. Hier durften es sich die Zuschauer in der Küche gemütlich machen, während eine Geschichte von Edgar Allan Poe gelesen wurde. Poes Geschichte, die in Ansätzen an seinen Text "Das Fass Amontillado" erinnerte, erzählt den Mord an einer Frau. Hatte deren Ehemann mit einem Axthieb eigentlich die Katze treffen wollen, der er zuvor bereits ein Auge aus dem Kopf geschnitten hatte, so spaltete er damit versehentlich den Schädel der eigenen Ehefrau. Er mauerte den Leichnam im Keller ein und da er sich schon sicher fühlte,...
Nur so viel soll hier verraten werden: Auch in diesem Fall hat die Anwesenheit einer schwarzen Katze kein Glück gebracht.
Die in Einzelarbeit entstandenen, von den Schauspielern selbst gewählten Geschichten, sind von der Regisseurin zum Teil kunstvoll verwoben worden. Manche Geschichte rief anstelle eines Schauderns jedoch eher ein Schmunzeln hervor, so der Gesang des Hausgeistes Kaspar.
Nach Auskunft der Regisseurin soll die Lesung in den Wintermonaten wiederholt werden.


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