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Text von Montag, 15. July 2002


Ein Wahnsinn: Das heilige Ärgernis

Marburg * (FJH)
Ein naives Kind, eine außergewöhnlich attraktive Frau, eine abgedrehte Verrückte , eine besessene Wahnsinnige oder eine Heilige - zwischen diesen Extremen schwankt die Darstellung der Elisabeth von Thüringen im neuen Stück "Elisabeth, das heilige Ärgernis". In der vollbesetzten Waggonhalle feierte diese Aufarbeitung der Geschichte einer Heiligen am Montag (15. Juli) ihre Uraufführung. Stefan Schneider und das Theater Gegenstand haben das Stück frei nach der Lebensgeschichte der Heiligen Elisabeth gestaltet.
Es beginnt mit der Grablegung der jungen Landgräfin. Elisabeths Dienerinnen Gunda und Hilda ärgern sich über das Volk, das dem Leichnam ständig Stücke abschneidet, um sie mitzunehmen. "Wenn Du Gutes tust, lohnt man es Dir nicht", ist ihr Resümee. In Rückblenden sieht das Publikum nun die Lebensstationen der ungarischen Prinzessin von ihrer Jugend auf der Wartburg üder ihre Mildtätigkeit als Landgräfin bis hin zu ihrer Vertreibung nach Marburg. Geradezu besessen ist sie von dem Wunsch, zu helfen, zu heilen und zu pflegen. In jedem Aussätzigen begegnet ihr der gekreuzigte Jesus.
Antje Keßler setzte die vielschichtige Rolle der jungen Elisabeth überzeugend um. Vom neckischen Spiel mit ihrem Gatten Ludwig oder ihren Dinerinnen über ängstliches Nachdenken über das Leiden bis hin zu resolutem Eintreten für die Armen reichte ihr Repertoire. Nisse Kreysing als zielstrebiger Landgraf Ludwig von Thüringen und Matze Schmidt als Elisabeths intriganter Beichtvater Konrad von Marburg konnten ihre Rollen nicht so gut ausfüllen.
Möglicherweise steht die künstlerische Freiheit Schneiders bei der Umsetzung des historischen Stoffs dem Publikum manchmal im Weg, das Ludwig als frommen Partner der Heiligen oder Konrad als sadistischen Tyrannen zu kennen glaubte. Trotz der nicht immer quellengetreuen Darstellung ist das "Heilige Ärgernis" durchaus gelungen. Es reizt zum Nachdenken übver die Kompromisse, die jeder im Leben einmal macht.
"Dort oben hättest Du uns mehr genutzt", sagt ein armer Teufel Elisabeth nach ihrer Vertreibung von der Wartburg. Und immer wieder ermahnt Konrad sie, sparsam umzugehen mit den Gaben an die Armen.
"Manchmal überkommt es mich, und ich lecke die Wunden mit der Zunge aus", berichtet Elisabeth ihrer Zofe. Und wenn sie sich damit noch so viele Feinde macht auf der Wartburg, sie kann nicht anders als helfen. So verschenkt sie alles, was sie hat, auch ihre Landgrafenwürde.
"Ein Wahnsinn!", sagt Konrad zum Schluss, als Kaiser Friedrich sich Elisabeths Schädeldecke in seine Krone einsetzen lässt. Der machtgierige Mönch bekommt schließlich auch, was er wohl verdient hat.
Verdienten Applaus spendete das Publikum dann auch den Darstellern, vor allem aber Antje Keßler und dem Stück. Ein Ärgernis ist diese Produktion ganz gewiss nicht, sondern die anregende Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit sozialen Engagements und seinen Grenzen.


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