Text von Donnerstag, 9. Mai 2002
Marburg * (FJH)
Nun ziehen sie wieder hinaus, kastenweise Bier und Flachmänner im Gepäck. Am "Runden Baum" im Stadtwald grillen und grölen sie, freuen sich ihrer Freiheit von der Frau und trinken Bier, Schnaps oder andere Alkoholbomben. Den Himmelfahrtstag haben die deutschen Männer zum "Vatertag" ausgerufen. Einmal im Jahr haben sie damit einen Vorwand, sich die Hucke vollzusaufen. Unbeeindruckt davon nutzt der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) den Feiertag für seine Jahreshauptversammlung. Blinde und Sehbehinderte aus der gesamten Republik treffen sich in Marburg. Nun könnten man denken, diese Terminplanung entspräche punktgenau den Bedürfnisssen der Vereinsmitglieder: Was haben Blinde schon von einem blauen Himmel? Und was bringt ihnen ein Spaziergang hinaus in die schöne Natur? Wer solches fragt, weiß, wenig von Blindheit und den Wahrnehmungen jenseits des Sehens. Man kann den Wald und die Bäume riechen ebenso wie frisch gemähtes Gras oder die Blumen am wegesrand. Der Blinde hört das Gluckern eines Bächleins, das sich am Wegesrand entlangschlängelt oder die Hunde im weit entfernten Dorf. Er spürt die Wärme der Sonnenstrahlen auf seinem Bauch, den Armen udn der Stirn. Und - wer Marburg kennt, müsste das wissen - die meisten Blinden verschmähen auch kein frisch gezapftes Bier. So ist die Jahreshauptversammlung am Himmelfahrtstag für sie ein echtes Opfer, das sie ihrem Verein aber gerne bringen. Denn eins mögen die meisten Blinden nicht: Lärm! Grölende Gesellen im Wald sind naturliebenden Gemütern dann doch ein echtes Greuel. |