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Text von Freitag, 1. März 2002


Wildes Leben: Ein armer Ire in Paris

Marburg * (fcs)
"Oscar Wilde war zum Sterben nach Paris gekommen." Diese Situation ist Thema des Buchs "Die Sphinx verstummt - Oscar Wilde in Paris" von Jens Rosteck. Unterstützt von Gesangsdarbietungen des Duos "Toscas Töchter" las er daraus am Donnerstag (28. Februar) im Theater neben dem Turm (TNT) vor.
In seinem Buch beschreibt Rosteck die letzten drei Lebensjahre des sozial abgestiegenen irischen Schriftstellers. Als Bettler, Schnorrer, Säufer und Vagabund musste Wilde dahin vegetieren. Die Gesellschaft hatte ihn ausgestoßen. Viele Freunde mieden ihn, seitdem er in England wegen seiner Homosexualität zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war. Verarmt und allein starb Wilde drei Jahre nach seiner Entlassung in Paris am 30. November 1900.
Viele mag Wildes Mut erschreckt haben, seine Homosexualität offen auszuleben. Nachfolgenden Generationen war er indes ein Vorbild.
Mit fiktiv nachgestellten Szenen versuchte Rosteck diese letzten Jahre nachzuzeichnen. So schildert er die entsetzte Reaktion der Eltern eines amerikanischen Studenten auf ein Treffen mit Wilde. Bei seiner Darstellung wechselt Rosteck zwischen Roman und einer lebendig formulierten Literaturgeschichte. Mal wirft er mit Fakten um sich, mal möchte er schöne Literatur an den geneigten Leser bringen.
Dann macht er wieder einen Sprung in die Gegenwart. Er schildert den heutigen Umgang mit Oscar Wilde in Paris, der sich allerdings auf nette Postkarten mit geistreichen Sprüchen beschränkt. Weiter erzählt er von der Grabfigur auf Wildes Grab. Dort ist eine Sphinx mit einem großen männlichen Geschlechtsorgan zu sehen. Der Streit darüber, ob dieses Grabmal auf einem Friedhof stehen kann, ist seit der Aufstellung im Jahr 1912 nicht verebbt.
Dabei nahm die Gegenwart mehr Raum ein, als über das Leben Wildes im Paris des Fin de siècle.
Das Duo "Toscas Töchter" umrahmt den Vortrag mit französischen Chansons. Dabei legte Sängerin Renate Wicke schauspielerisches Talent an den Tag. Wohl um den nicht-französisch sprechenden Zuhörern das Verstehen leicht zu machen, stellte sie mit Mimik und Gestik den Inhalt der Lieder dar. Sie wirkt durchaus glaubhaft in ihren Bemühungen. Aber teilweise waren ihre Gesten in diesem Rahmen zu übertrieben. Julia Vogelsänger begleitete sie souverän am Klavier.
Nur einmal ließ sie sich von Rosteck vertreiben, der selbst auch in die Tasten greifen wollte.


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