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Text von Freitag, 22. Februar 2002


Rhythmus: Kampf der wilden Wesen

Marburg * (fcs)
Reges Gedränge herrschte am Donnerstag (21. Februar) im Foyer der Waggonhalle. Im Zuschauerraum des Theaters mussten einige sogar auf den Stufen Platz nehmen. Zu Gast war die Junge Bühne Gießen mit ihrem Theaterexperiment "Phase V. Im freien Fall in die Wirklichkeit".
Die Zuschauer der regulären Sitzplätze fanden dort vor Beginn der Vorstellung einen Briefumschlag vor. Ein Text über Korrumpiertheit und die Zerstörung anderer war darin zu finden; unterzeichnet mit "V". Ratlose Gesichter wandten sich den starren Akteuren auf der Theaterbühne zu.
Das Ensemble war bereits in zerfetzten Kleidern angetreten. Die rhythmische Choreographie begann. Nun tanzten, stampften, klatschten und trommelten die 17 Schauspieler der Jungen Bühne Gießen. Gelegentlich rauften sie sich auch die Haare. Wie gehetzte Tiere jagten sie auf einer Stelle, schlugen sich selbst, heizten sich gegenseitig mit immer schneller werdenden Trommelschlägen ein. Es hätte eine verwirrende Angelegenheit bleiben können, wäre es bei diesen Aktivitäten allein geblieben.
Aus dem Off unterbrach eine Stimme die wilden Wesen. Sie sprach über einen Jäger. Bei der Verfolgung einer Bestie gerät er in eine grausame Welt. Er ist in der Bestie selbst. Nur weiß er es noch nicht.
Immer wieder schoben Darsteller einen Bildschirm in die Mitte. Er zeigte Zerstörung, Gewalt, Folter und Tod.
Auch der oder die mysteriöse "V" ließ sich via Computertext vernehmen. Wer hinter "V" steckt, erfuhren die Zuschauer nicht. Aber seine oder ihre weiteren Aussagen stimmten nachdenklich: "Die Gesellschaft ist wie ein Mann, der aus dem 58. Stock springt... Die Landung ist wichtig. / Die Zeit ist abgelaufen."
Gewalt beherrschte auch die Aktion der Schauspieler. Sie bewegten sich wie asiatische Kampfsportler. Oder sie gingen mit Stöcken aufeinander los und ließen dadurch die Rhythmen immer wilder werden. Der Versuch, die Gewalt aufzugeben, scheiterte vorerst.
Das kollektive Projekt des Ensembles zeigte fünf Motive. Bei deren Unterscheidung und Abgrenzung war das Programmheft recht nützlich. Doch Theater, besonders ein Theaterprojekt, sollte auch ohne solch ein Heft verständlich sein. Das ist den Mitwirkenden teilweise auch gelungen.
Bestimmt war das Stück durch Gewalt, Macht, Angst und Terror. Am Schluß meinte "V", dass "das Schöne das mögliche Ende der Schrecken" bedeuten könnte.


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