Text von Montag, 1. April 2002
Marburg * (FJH)
Himmlische Ruhe herrschte heute auf Marburgs Straßen. Pünktlich zur Mitternachtsstunde wurden die Einfallstraßen ins Stadtzentrum abgeriegelt. Urheber dieser Sperrung war jedoch nicht die städtische Straßenverkehrsbehörde, sondern eine "Autonome Aktion gegen Autolärm" (AAA). Sie hat den 1. April zum "Aktionstag für ein gesundes Leben in der Stadt" erklärt. Viele Autofahrer waren nicht wenig überrascht, als sie kurz nach Mitternacht die Bundesstraße B3A entlangfuhren und dabei auf eine unangekündigte Umleitung stießen. Bei der Ausfahrt Wehrda leiteten Verbotsschilder den Verkehr auf den Parkplatz beim Einkaufszentrum ab. Dorthin wurden auch Autofahrer geleitet, die die Wehrdaer Straße stadteinwärts fahren wollten. An der Südspange wurde der Verkehr auf die Parkplätze bei den Stadtwerken am Krekel umgeleitet. Von Osten kommende Autofahrer mussten ihre Fahrt spätestens beim Klinikum beenden. Im Westen endete die Fahrt auf den Werksparkplätzen der Behring-Nachfolgefirmen am Görzhäuser Hof. "Das muss generalstabsmäßig organisiert worden sein", erklärte dazu Georg Gasmann vom Verkehrsamt. Er hat Ermittlungen wegen Amtsanmaßung, Sachbeschädigung und Nötigung eingeleitet. Auf Anfrage distanzierte sich der Verkehrsclub Deutschland (VCD) von der Aktion: Eine autofreie Stadt sei zwar ein wünschenswertes Ziel, doch müsse sie mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam umgesetzt werden. Zuvor sei zudem auch ein Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel notwendig. Scharfe Kritik erntete der "Husarenstreich weltfremder Spinner" vom Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC): "Freie Fahrt für freie Bürger" sei für ein modernes Gemeinwesen unerlässlich. Versuche der Polizei, die Barrieren schnell zu beseitigen, sind bislang gescheitert. Die Schilder waren mit weitausladenden Verankerungen unter dem Straßenbelag befestigt. Sie hätten nur entfernt werden können, indem die Straßendecke aufgerissen worden wäre. Zu diesem Zweck wurden Baufahrzeuge von außerhalb angefordert, da der städtische Bauhof ebenfalls mit einer solchen Sperre verriegelt war. Indes häufen sich beim Oberbürgermeister Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern, die auf eine Fortsetzung der Vollsperrung dringen. "So ruhig und entspannt konnte man in Marburg noch nie spazierengehen", meinte dazu Friedrich Fußgänger. Auch Paul Pedalo vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) freute sich über die neuen Freiräume für Radfahrer: "Es ist herrlich, endlich haben wir die ganze Straße einmal für uns!" Fußgänger hat inzwischen die Bürgerinitiative "Marburg ohne Autos" (MoA) gegründet. Sie sammelt Unterschriften für eine Einschränkung des Autoverkehrs. Ein Durchfahren der Kernstadt soll danach nur noch auf der Stadtautobahn möglich sein. Zumindestens am 1. April jedes Jahres soll Marburg nach dem Willen der Bürgerinitiative vollständig für den Autoverkehr gesperrt werden. |