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Wissenschaft


Erinnerung als Auftrag: Ehrung für Brücken-Bauer Bartoszewski


29.06.2001 * (
FJH)
"Wenn Du das überlebst, musst Du alles aufschreiben!" Dieser Auftrag seiner Mithäftlinge im Konzentrationslager Auschwitz prägte Wladislaw Bartoszewskis weiteres Leben. Für seine historischen Arbeiten zur Geschichte Polens während und nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verlieh der Fachbereich "Gechichte und Kulturwissenschaften" der Philipps-Universität Marburg dem Historiker, Publizisten und heutigen polnischen Außenminister am Freitag (29. Juni) in der Aula der Alten Universität die Ehrendoktorwürde.
"Optimisten und Pessimisten leben, so viel ich weiß, gleich lange", bemerkte der Warschauer Chefdiplomat, "Aber Optimisten leben lustiger." Seinen Humor hat sich der überzeugte Katholik und Mitbegründer der unabhängigen Gewerkschaft "Solidarnosz" bewahrt, obwohl er acht Jahre - gut ein Zehntel seines Lebens - in politischer Haft zubringen musste. 1941/42 erlebte er die Zustände im KZ Auschwitz an eigenem Leib. Als erstem gelang es ihm, authentische Erlebnisberichte über die KZ-Haft an die Öffentlichkeit zu bringen.
Er schloss sich dem Widerstand gegen die Nazis an und kämpfte 1944 mit beim Aufstand im Warschauer Ghetto. Seine zahlreichen Hilfsaktionen für Juden brachten ihm 1963 den Yad-Vashem-Orden als "Gerechter der Völker" und auch die seltene Ehrenbürgerschaft des Staates Israel ein.
Nach Kriegsende musste der Antifaschist dennoch fünf Jahre in sowjetischer Lagerhaft verbringen. Auch der Solidarnosz-Aufstand brachte ihn 30 Jahre später noch einmal ins Gefängnis.
Während seine deutschen Historiker-Kollegen derselben Generation - Bartoszewski wurde 1922 geboren - die Zeit des Faschismus immer aus einer neutralen Perspektive beschrieben, als häten sie sie nicht selbst erlebt, bezog Bartoszewski immer eigene Erfahrungen in seine Betrachtungen mit ein. Erinnerung und Versöhnung sind dabei sein Leitmotiv: "Die Geschichte ist nicht nachtragend wie ein Mensch, aber sie vergißt auch nicht."
Seine Folgerung daraus ist der Auftrag, aus der Geschichte zu lernen. Polen und Deutsche hätten vor dem Hintergrund ihrer gemeinsamen Geschichte eine besondere Verantwortung für Europa. Sie müssten "Weltmeister im Export von Versöhnung" werden.
Vollendet werde sie und der Sturz des "kommunistischen Systems" nach Bartoszewskis Auffassung erst durch den NATO-Beitritt Polens und seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU).
Für die weitere Ausgestaltung der EU forderte Bartoszewski "gemeinsame Werte", "demokratische Legitimation" und "Solidarität". Nur wenn diese Voraussetzungen geschaffen seien, könnten auch alle anderen Probleme erfolgreich geklärt werden. Keinesfalls dürfe es zur Vorherrschaft einzelner Länder kommen.
Bartoszewski zeigte sich überzeugt, dass weitere Länder Osteuropas dem Sog in die EU folgen würden. Dem Papstbesuch in der Ukraine misst er ähnliche Bedeutung zu wie seinem Polen-Besuch im Jahr 1979, der den Zerfall des kommunistischen Systems eingeläutet habe.
Bartoszewskis Optimismus belegte Prof. Stefan Plaggenborg in seiner Laudatio durch die Tatsache, dass der einstige Widerstandskämpfer 1995 polnischer Außenminister werden konnte: "Es ist, als hätte das Jahrhundert Bartoszewskis Schriften gelesen."


Frei determiniert: Habermas zu PID und Genforschung


28.06.2001 * (
FJH)
An die Aula der Alten Universität hat Jürgen Habermas ganz besondere Erinnerungen: Vor 40 Jahren hielt der Abendroth-Schüler dort seine Antrittsvorlesung als Privatdozent. Am Donnerstagabend (28. Juni) kehrte der Frankfurter Sozialphilosoph nach Marburg zurück, um die "Christian-Wolff-Vorlesung" in Philosophie zu halten. Thema seines Vortrags war "Der Streit um das ethische Selbstverständnis der Gattung".
Spätestens seitdem bekannt wurde, dass Habermas im Oktober den "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels" erhalten soll, sei er schon unzählige Male öffentlich vorgestellt worden, erklärte der Marburger Philosophieprofessor Peter Janich und fügte ein Zitat des bayerischen Komikers Karl Valentin hinzu: "Schon überall, aber noch nicht von jedem!"
Fast jeder schien den berühmten Philosophen sehen zu wollen, so groß war der Besucherandrang. Selbst die der Alten Aula benachbarte Universitätskirche, in die der Vrotrag übertragen wurde, war voll. Der Andrang verlor sich aber schnell wieder, denn es erforderte äußerste Konzentration, dem Referenten zu folgen. Seine Behinderung, eine erbliche Hasenscharte, war nicht unmaßggeblich dafür verantwortlich.
Sie mag ihn auch bewogen haben, sich kritisch mit den ethischen Folgen von Präimplantationsdiagnostik (PID) und Stammzellenforschung auseinanderzusetzen. Habermas bedauerte, dass die notwendige gesellschaftliche Debatte hierüber unter Zeitdruck geführt werden muss. Wirtschaftliche Verwertungsinteressen drängten auf eine schnelle Umsetzung des technisch Machbaren, bevor dessen ethiche Konsequenzen hinreichend bedacht worden seien.
Die freie Entscheidung des Individuums über die eigene Lebensgestaltung und die potentielle Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger seien in Gefahr, warnte Habermas. Gentechnik und Stammzellenforschung beschrieb er als "schiefe Ebene", auf der die ethischen Grundlagen unserer Gesellschaft zwangsläufig ins Rutschen kommen müßten. Das technisch Mögliche werde später auch verwirklicht, selbst wenn das heute noch alle ablehnten.
Mit dem vorgeburtlichen Eingriff ins Erbgut eines Menschen entstünden völlig neuartige ethische Probleme. Das nach den Wünschen seiner Eltern genetisch manipulierte Kind sei deren lebensprägenden Entscheidungen bis zum Tod unumkehrbar ausgeliefert. Die Festlegung der genetischen Eingriffe erfolge nach den Gesetzen des Marktes. Durch den Eingriff manifestiere sich ein irreversibles Unterordnungsverhältnis des Manipulierten zu seinem Gen-Designer. Der präjudiziere die Lebenschancen möglicherweise bis hin zur Festlegung auf eine ganz eingeschränkte Funktion.
Vorstufe dieser Entwicklung seien die negative Selektion bei der "Verbrauchenden Embryonenforschung" und das "Verwerfen" von "lebensunwertem Leben" nach der PID. Alle Entscheidungen seien dabei irreversibel. Das gelte auch für die Freigabe von Stammzellenforschung und PID.


Hirnrissig?: Psychophysiologen-Kongress in Marburg


15.06.2001 * (
sfb)
"Während Sie diesen Satz lesen, verändert sich Ihr Gehirn." Keine Angst - dieser Satz hat nichts mit Zauberei zu tun. Dies beweist derzeit ein Psychophysiologen-Kongress im Hörsaalgebäude, zu dem eine Pressekonferenz am Freitag (15. Juni) informierte. Ausgerichtet wird die in der Zeit vom 14.- 16 Juni stattfindene Veranstaltung von drei Professoren am Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität: Gerhard Stemmler, Frank Rösler und Rainer Schwarting.
Die international anerkannte Tagung hat eine 30-jährige Tradition. Anfangs standen methodische Fragestellungen auf dem Programm, die in den letzten Jahren mehr und mehr durch inhaltliche abgelöst wurden. Auch die Zahl der Wissenschaftler, die sich anfangs auf einen kleinen Kreis beschränkte, hat sich mittlerweile auf die stolze Zahl von 150 Leuten erhöht. 80 Poster und 40 Vorträge behandeln das interessante Wechselspiel von Gehirn und Verhalten.
Die Psychologie geht davon aus, dass chemische Prozesse im Gehirn das Erleben und Verhalten des Menschen entscheidend beeinflussen. Genetische Faktoren sind in diesem Zusammenhang ein Thema, das auf dieser Tagung einen breiten Raum einnimmt. Die Gene sorgen dafür, dass Informationen über sogenannte Botenstoffe im Gehirn von einer Schaltstelle zur nächsten weitergeleitet werden. Geht es den Forschern darum, die Gene zu manipulieren, um unangepasstes Fehlverhalten zu korrigieren? Die Lösung ist viel einfacher und ethisch vertretbar: Wie Transmitterstoffe das Verhalten sowie Gefühle steuern, können - in umgekehrter Richtung - gezielte Verhaltensänderungen chemische Vorgänge im Gehirn beeinflussen. Dies beweisen Kernspinuntersuchungen. Andere wundersame Geräte, über die Stände im Hörsaalgebäude informieren, erbringen ähnliche Ergebnisse.
Am Beispiel der Suchtforschung zeigt Rainer Schwarting, dass Suchtverhalten durch Reize wie eine bestimmte Umgebung ausgelöst wird. Stoffgebundenes Suchtverhalten, so der Wissenschaftler, kann regelrecht verlernt werden.
Weiteren Fragen, denen die Wissenschaftler auf dem Kongress nachgehen, lauten "Was sind die biologischen Grundlagen von Sprache, Lernen und Gedächtnis?" Wie verändert sich das Gehirn bei einer Erblindung oder einem Schlaganfall?"


Luisas Erbe: Mutige Pläne für den Rudolphsplatz


08.06.2001 * (
FJH)
Bis vor fünf Jahren schmückte den Rudolphsplatz der Portikus des Luisa-Bades; nun soll im Herzen der Stadt ein Neubau entstehen. Am Donnerstagabend (7. Juni) stellten drei Diplomanden der Universität/Fachhochschule siegen im städtischen Bauamt ihre Entwürfe für eine Bebauung dieses Grundstücks vor, die dort bis zum 22. Juni besichtigt werden können.
Bei der Ausstellungseröffnung verwies Oberbürgermeister Dietrich Möller auf die guten Erfahrungen, die die Stadt Marburg mit Entwürfen von Architekturstudenten schon an anderer Stelle gemacht hat. Man müsse nicht immer teure Architektenbüros mit Planungen beauftragen; junge Studierende hätten oft auch sehr gute Ideen.
Ihre Ideen für eine Nutzung des Geländes durch eine Bank stellten Nicole Hess und Sonja Krug-Jackisch anschließend anhand von Entwurfszeichnungen vor. Viel Glas und eine durchweg dreigeschossige Nutzung prägen die Bauprojekte der jungen Architektinnen aus Siegen.
Unorthoddox und mutig ist dagegen der Entwurf ihres Kommilitonen Michael Trittmann. Er möchte in seinem Neubau das Deutsche Spiele-Archiv unterbringen, das derzeit in der Ketzerbach residiert.
Bei der Wahl von Baumaterialien und Gebäudeform ist Trittmann von der vorhandenen Bebauung im Umfeld des Grundstücks ausgegangen. Die südlich angrenzende Herrenmühle wie auch die gegenüberliegende Alte Universität seien "wehrhafte Gebäude" mit weitgehend geschlossenen Mauern. So soll auch die etwa 40 Meter lange Wand seines Gebäudekomplexes zur Straße hin aus ockerfarbenem Sichtbeton bestehen, in dem nur kleine Fenster - teilweise auch in für Kinderaugen passender Höhe - Einblick ins Gebäudeinnere eröffnen. Zwischen Wand und Straße soll zudem ein Wasssergraben die Wehrhaftigkeit des neuen Hauses unterstreichen. Das Dach und damit die Gesamthöhe des Bauwerks soll zur Lahn hin schräg abfallen, so dass der Bau von keiner Richtung aus den Ausblick auf das Panorama Marburgs versperrt.
Zum nördlich angrenzenden Großkino soll ein Eingang ensttehen, der die Besucher in einen Innenhof führt. Zu diesem Hof hin soll das Gebäude vollständig offen verglast sein, was nach Trittmanns Einschätzung eine familiäre Atmosphäre schaffen könnte. In den Räumen sollen eine Ausstellung mit Gesellschaftsspielen, eine "Ludothek" zum Ausleihen, Präsenz-Spielmöglichkeiten und ein Cafe zum Lahnufer hin untergebracht werden.
Durch seine Originalität und die Nutzung als Spiele-Archiv könnte das Gebäude nach Einschätzung vieler Besucher der Ausstellungseröffnung - auch ohne große Beschriftung - zu einer interessanten Attraktion für Marburgs Bürger und Besucher werden.
Die Ausstellung mit den Entwürfen der drei Siegener Diplomanden ist im Bauamt an der Barfüßerstraße bis zum 22. Juni werktags zwischen 8 und 16 Uhr geöffnet.



31.05.2001 * Ein kongenialer Sauhaufen: Hans-Peter Dürrs Zukunftskonzepte Hörsaalgebäude


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